bulgarische Klöster-Tour -> Reisebericht


Wir verzichten auf die An- und Rückreisebeschreibung (je ca. 1.600 km, je 2 Reisetage) empfehlen aber dringend einen Besuch des spätantiken Kaiserpalastes bei Gamzigrad (bei Zajcar, unmittelbar vor der bulgarischen Grenze, Unesco Weltkulturerbe):
Dies ist eine exzellente und höchst eindrucksvolle Ausgrabung der Altersresidenz von Galerius (regierte von 293 bis 311): großer und kleiner Tempel, gut erhaltene Umfassungsmauer mit Rundtürmen, zwei hervorragend rekonstruierte Stadttore, mehrere Thermen, Bischofsbasilika (justinianische Zeit) mit gut sichtbarem Baptisterium, Peristylhöfe; Mosaike.
Übrigens ist genau dort für Wohnmobilisten (nämlich direkt an den Mauern des Kaiserpalastes von Galerius "felix Romuliana") ein würdiger, ruhiger, historischer und damit durchaus passender Nachtplatz, um am folgenden Tage dann die Grenze zu Bulgarien zu passieren!


Nach der bulgarischen Grenze bei Zajcar (Staatsstrasse 5 bzw. 14 in Bulgarien, freundliche Abfertigung, keine Kontrolle, Strassenbenutzungsgebühr für 1 Monat für 13 Euro) geht es wenige Kilometer später rechts ab auf eine kleine Straße in Richtung Belogradčik. Nach etwa 15 km erreichen wir das Rakoviški-Kloster, ein wahres Kleinod.


Rakoviški-Kloster; Kreuzkuppelkirche 12.-14. Jh.

Auf einem Parkplatz davor parken wir, öffnen die Klostertür und finden uns neben einem wundervollen kleinen Landhaus, blumengeschmückt, mit bemalten Wagenrädern, Stühlen, Tischen, Weinlaub und unendlich vielen Blumentöpfen. Uns fällt eine kleine modernere Kirche auf, die aber geschlossen ist. Dann kommen wir an die "alte", winzig kleine mittelalterliche Kreuzkuppelkirche (12.-14. Jh.) mit später angebautem Narthex und offenem kleinen Portal.


Rakoviški-Kloster; Fresko: Kreuzigungsgruppe

Atemberaubend die hervorragend erhaltenen Wandgemälde (1825, 1979 restauriert) mit einer Vielzahl von Figuren, Szenen aus dem Leben Christi, Heiligenbildern, den Gerechten und Verdammten, der typischen langen Schlange, die alle Sünder vertilgt, dem Abbild des Stifters, der die Kirche in der Hand hält: ein wundervoller Beginn unserer Klostertour durch Bulgarien.


Rakoviški-Kloster; Fresko: Das Jüngste Gericht, Ausschnitt

Gleich in der Nähe das Städtchen Belogradčik (etwa 30.000 Einwohner). Besuchenswert die auf rotem Sandsteinfelsen gebaute türkische Festung mit wuchtigen Pforten. Oben auf der Festung führt der Pfad zu mehreren Plateaus mit skurrilen Felsmonumenten und einem wundervollen Blick über Stadt und Hinterland.

Bei der Weiterfahrt und auch in den dann folgenden Tagen sehen wir nicht einen einzigen Touristen, aber weitgehend entvölkerte Dörfer mit zerfallenden Häusern, kaum Menschen auf den Straßen, niemand arbeitet auf den Feldern. Wir haben das Gefühl, durch eine verlassene, sehr verarmte, scheinbar vergessene und vergehende Welt zu fahren. Später werden wir hier und da dem zaghaften Beginn eines Wiederaufbaues und einer Neuorientierung begegnen...


Das beinahe benachbarte – malerisch in einem Tal gelegene – Lopušanski-Kloster erreichen wir nach etwa 15 km.


Lopušanski-Kloster

Wir parken vor der Tür zum Klostergelände, das einladend offen steht. Man fühlt sich irgendwie geborgen, wenn man das Kloster betritt und sich im großen Rund der Anlage befindet. Auch die sehenswerte, 1856 geweihte Kirche ist geöffnet. Hier nimmt uns sofort die wundervolle und berühmte Ikonostase (1863) mit herrlichen Schnitzereien aus Lindenholz und einer wirklich sehr großen Zahl von Ikonen gefangen.


Lopušanski-Kloster; Lindenholzschnitzereien an der Ikonostase

Kurz vor 19 Uhr kommt dann ein würdiger bärtiger Mönch auf uns zu und spricht uns – nachdem er merkt, dass wir Deutsche sind – in deutscher Sprache an und sagt, dass er jetzt eine Messe feiern möchte (mit seinen 5 Mönchen oder Novizen), dass wir daran teilnehmen könnten und dass er uns dann im Anschluss gern zum Abendessen einladen würde.
Wir erleben eine sehr stimmungsvolle Messe mit orthodoxer Liturgie und folgen den Mönchen anschließend in das Klostergebäude. Dabei kommen wir direkt durch die große Küche hinein und betreten ein geräumiges Zimmer mit vielen Bildern und Teppichen, weichen Sesseln und einer bereits gedeckten Tafel. Der Abt nimmt Platz, teilt uns eine Position neben sich und gegenüber von ihm zu und ordnet den Beginn der Mahlzeit an.


Lopušanski-Kloster; Einladung beim Vikar-Bischof

Es gibt Schafskäse mit Paprikaschoten in Öl, einen selbstgebrannten Schnaps (Rakija) und anschließend die landestypische weiße Bohnensuppe. Später erfahren wir, dass unser freundlicher Gastgeber der Vikar-Bischof dieser Region, also der Stellvertreter des Metropoliten von Vidin ist. Wir unterhalten uns sehr nett und lange mit ihm, genießen seine große Gastfreundschaft und werden ihm am Folgetag erneut als dem ehemaligem Abt eines anderen Kloster (allerdings nur auf einer Ehrentafel abgebildet) begegnen....


Das folgende Kloster Klisurski, nur wenige Kilometer entfernt von dem Städtchen Berkovica, ist deutlich erkennbar durch die Sauberkeit, die Vielzahl von Blumen und die gepflegten Wege ein Frauenkloster (mit 6 Nonnen, wie wir später erfahren).


Kloster Klisurski

Man geht in dieser Anlage entweder sofort in die Kirche oder das Museum und klingelt, wenn es abgeschlossen ist. Es wird dann immer jemand kommen, aufschließen, erklären oder auch eine kleine Führung anbieten (allerdings nur in bulgarisch oder etwas kümmerlich mit einigen Brocken Englisch).
In diesem viertgrößten Kloster der Region ist offensichtlich alles auf viele Besucher, Pilger, Touristen und Fremde eingerichtet (inkl. Männer- und Frauentoiletten!).


Kloster Klisurski; Ikonostase

Eindrucksvoll in der Kirche erneut die phantastische Ikonostase mit erstaunlich vielen farbenfrohen und gut erhaltenen Bildern. Sehenswert auch das kleine "Museum" dicht daneben. Von dort starten wir dann auf einer gut zu befahrenden schmalen Paßstraße (etwa 40 km) in Richtung Čerepiški Monastir.


Auf der Passstrasse Richtung Čerepiški-Kloster

Dabei führt uns diese Paßstraße anfangs über eine von Akazien gesäumte Allee, wobei die über und über weiß blühenden und duftenden Blütendolden weit über die Straße hängen und nach unten gedrückt werden. Bei der südlichen Abfahrt gibt es herrliche Serpentinen, Blicke in das Tal und z.T. auch etwas engere Passagen, die etwas fahrtechnisches Geschick erfordern.



Čerepiški-Kloster

Zusammengefasst unser Eindruck vom bald erreichten Čerepiški-Kloster: Es hat mit seiner Kirche "Sveti Georgi" aus dem Anfang des 17. Jahrhunderts eine wundervolle Lage direkt am Fluss Iskăr.


Čerepiški-Kloster; Sveti Georgi

Čerepiški-Kloster; Sveti Georgi
 


Besonders sehenswert neben den Fresken in der Kirche auch ein Beinhaus mit einer Vielzahl erstaunlich gut erhaltener alter Knochen und Schädel hinter einem Glasfenster. Es ist über eine schmale Treppe zu erreichen und liegt hoch über dem Tal.


Čerepiški-Kloster; Fresko: See Genezareth

Schließlich gibt es in der Klosteranlage herrliche Plätze zum Meditieren, an denen auch der Freiheitsdichter Ivan Vasov bei seinen Aufenthalten gesessen haben soll. Die Gebäude sind im Stil der "Wiedergeburtszeit" errichtet. Etwas verwunderlich auch hier die absolute Einsamkeit: wir begegnen kaum einem Menschen, keinem Besucher, nur einer Bewohnerin, die etwas versonnen auf ihrem Stuhl sitzt...


Anschließend führt uns der Weg ein kurzes Stück weiter in Richtung Sofia, wo wir bald links abbiegend zum "Kloster der 7 Altäre" kommen, dem Kloster Sedemte Prestola.


Kloster Sedemte Prestola; Klostertor

Die Kirche bietet eine interessante Architektur: sie zeigt eine spezielle Form der Kreuzkuppelkirche mit Seitenkapellen, Eso- und Exonarthex. Sie wurde um 1800 in ihrer heutigen Form gebaut.


Kloster Sedemte Prestola; Kirche

Das Kloster allerdings wurde bereits im 11. Jahrhundert gegründet und war ein wichtiges Zentrum der Kultur und Aufklärung. Die Ikonostase stammt aus dem 17./18. Jahrhundert. Wir sind ein wenig amüsiert und freuen uns über den sehr liebevoll mit Blumen, Schmuck, Zwergen, Kanonen, Wagen und ähnlichem Kleinkram geschmückten Klostergarten.


Kloster Sedemte Prestola; Kirchgarten

Von einer Frau am Verkaufsstand der Kirche ist zu erfahren, dass in dem Kloster heutzutage keine Mönche oder Nonnen mehr tätig seien.


Das Kloster Kremikovci mit seiner "Sveti Georgi" erscheint uns "wie eine Offenbarung"! Es ist ein Frauenkloster am Südabhang des Balkans, 25 km entfernt von Sofia. (42° 47' 50'' N; 23° 30' 27'' O), und in der Nähe des größten Stahl-Industrie-Komplexes Bulgariens gleichen Namens gelegen.


Kloster Kremikovci; Neue Kirche

Der Weg von Kremikovci zum Kloster ist etwas schwierig zu finden und geht ein gutes Stück in sehr kurvigen schmalen Kehren kilometerweit bergan, so dass man fast meint, man habe sich verfahren. Doch dann ist man oben; es gibt einen kleinen Parkplatz und von dort nur einige Schritte weiter bergan öffnet sich das Klostergelände und man steht vor der neuen Kirche.


Kloster Kremikovci; Kirche Sveti Georgi

Die ältere der beiden Kirchen stammt aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Aus der gleichen Zeit sind phantastische monumentale Fresken erhalten, die u.a. den Stifter mit seiner Familie (einem Sofioter Patrizier) darstellen. Außerdem erkennen wir den Schutzpatron des Klosters, den Heiligen Georg, sowie mehrere Szenen aus dem Leben Christi und andere Darstellungen verschiedener Heiliger (u.a. Nikolaus). Angebaut und mit Fresken versehen sind zwei Narthices (einer erhalten) aus dem Anfang des 16. Jahrhundert.

 

Kloster Kremikovci; Fresko: Abendmahl

Kloster Kremikovci; Fresko: Fußwaschung
 


In diesen Klöstern leben – außer eben in den riesigen Komplexen wie etwa im Rila – immer nur wenige oder gar nur ein Mönch oder eine Nonne. Wir sehen, dass das Kloster bewirtschaftet ist und eine weltliche Person für Ordnung sorgt und aufpasst. Etwas später kommt ein Priester zur Messe.

Wir fahren nach dem Klosterbesuch einige Kilometer den Berg hinab auf eine Wiese mit Blick auf Sofia und das Vitoša-Gebirge vor uns, im Hintergrund das Kloster, über uns blauer Himmel und die Abendsonne. In der Nacht später dann ein wundervoller Blick auf das Lichtermeer von Sofia.


Wer sich der bulgarischen Hauptstadt Sofia nicht völlig verweigert, sollte sich einige Stunden Zeit nehmen und sich – wie wir – die folgende Auswahl der Sehenswürdigkeiten anschauen. Als kleine Anregung skizzieren wir in Stichworten unser Besuchsprogramm, das wir uns vorgenommen hatten, nachdem wir unser Fahrzeug sicher und gegen eine geringe Gebühr auf dem Parkplatz der "Hallen" - dem Einkaufszentrum in der Stadt - geparkt hatten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite sehen wir die Banja-Baschi (= viele Bäder) - Moschee (1576 errichtet und die größte Moschee Sofias und gleichzeitig eine der ältesten in Europa) und hinter ihr das 1910/11 an Stelle des alten türkischen Hammams (aus dem 16.Jh.) errichtete Mineralbad.


Sofia: Mineralbad

Nach wenigen Minuten auf dem Bul. Dondukov erreichen wir gegenüber vom deutschen Kulturinstitut das 5-Sternehotel Arena di Serdica, bei dessen Errichtung vor ein paar Jahren Reste des alten römischen Theaters entdeckt wurden. Man hat sie architektonisch sehr geschickt in den Hotelneubau einbezogen. Wir müssen mehrere Stufen einen Hügel ersteigen (das röm. Theater war typischerweise hier angelegt), um nach wenigen Schritten zur Sveta Sophia, Sophienkirche zu gelangen, von der die Stadt ihren heutigen Namen hat.


Sofia: Sveta Sofia

Diese dreischiffige gewölbte Kuppelbasilika aus Backstein wurde über mehreren zerstörten Vorgängern im 8./9. Jh. errichtet und danach mehrmals umgebaut und restauriert. Von hier sieht man die Alexander-Nevski-Kathedrale: als Bischofssitz nach der Befreiung 1878 begonnen, aber erst 1904-12 fertiggestellt (sozusagen eine 'Nachahmung' der Hagia Sofia), die Nationalversammlung und die Akademie der Wissenschaften.


Sofia: Alexander-Nevski-Kathedrale

Vorbei an der russischen Kirche, errichtet 1912, und dem ehemaligen Zarenpalast (der heutigen Nationalgalerie) gelangen wir durch den Park am "verschwundenen" Dimitrov-Mausoleum zum Nationaltheater und dem Archäologischen Museum.

 

Sofia: Nationaltheater

Sofia: Russische Kirche
 


In einer Unterführung sehen wir die Reste des Osttores vom römischen Serdica. Im Hof hinter dem Sitz des Staatspräsidenten besuchen wir die kleine Rotunde des Hl. Georg, ursprüngl. aus dem 4. Jh., dann mehrfach zerstört, auf- und umgebaut.


Sofia: Rotunde des Hl. Georg

Sie steht auf den Ruinen eines 'offiziellen Gebäudes' aus der Römerzeit mit Fußbodenheizung (2./3. Jahrh.). Bewegend, fast anrührend dann in einer unterirdischen Passage die kleine Sveta Petka vermutlich aus dem 15. Jh. mit recht gut erhaltenen Fresken aus dem 16. und 17. Jh., in der wir mit zwei Mönchen in ein kurzes Gespräch kommen.

 

Sofia: Sveta Petka

Sofia: Sveta Petka: Fresken
 


Ein paar Schritte machen wir noch durch das "Alte Sofia" mit "Flanierstraße" und besteigen dann unser Gefährt, nachdem wir noch rasch unsere Kühlschrankvorräte durch einen Einkauf in den "Hallen" mit frischem Nass und Trocken aufgefüllt haben.


Ausfahrt aus Sofia und Fortsetzung der Klostertour mit dem Start über die Autobahn Nummer 2 in Richtung Osten und Abfahrt in Pravec zum Städtchen Etropole und zum gleichnamigen Etropolski-Kloster.


Etropolski-Kloster; Kreuzkuppelkirche

Die Klostergründung wird in das 12. Jahrhundert datiert, die dreischiffige Kreuzkuppelkirche stammt aus dem Jahre 1858. Auch hier im Kloster hatte sich der Volksheld und Widerstandskämpfer Vasil Levski versteckt. Wieder imponiert die absolute Ruhe, keine Besucher oder "Bewohner", aber einige Bauarbeiter. Die Kirche ist von einem Geviert von 2-stöckigen Häusern mit sehr vielen Zimmern umgeben, in denen sich Betten zum Übernachten finden, einige Zimmer sind als eine Art Museum ausgestattet, etwas Gerümpel und Baudreck liegt herum. Aber: hier wird erkennbar gearbeitet, es bestehen offensichtlich Konzepte über die weitere Gestaltung und für die Zukunft der Klosteranlage. Genaueres allerdings können wir hierzu nicht erfahren.


Etropolski-Kloster


 

 

Anfahrt zum Gloženski-Kloster


Anfahrt zum Gloženski-Kloster


Anfahrt zum Gloženski-Kloster

Anfahrt zum Gloženski-Kloster
 


Über eine ausgesprochen schwierig und abenteuerlich zu befahrende Straße mit Baumstürzen, Bergrutschen, Straßenabbrüchen und ersten Bauarbeiten zur Verbesserung der Situation finden wir dann in der Nähe des Städtchens Teteven nach etwa 20 oder 30 km das Gloženski-Kloster.

 

 

Gloženski-Kloster


Gloženski-Kloster



Gloženski-Kloster

Gloženski-Kloster
 


Etwa hundert Meter unterhalb des Klosters ist ein kleiner Parkplatz, den man benutzen sollte, da es kaum eine Wendemöglichkeit an der Klosterpforte gibt. Im Kloster ist nur eine einzige Frau, die aufpasst, für Ordnung sorgt und uns einige Erklärungen gibt. Wir sind ihr noch aus einem anderen Grunde sehr dankbar: sie hat per Handy ihren Mann zu Hilfe gerufen, als wir ihr sagen, dass wir eine Reifenpanne hätten. Er kommt dann auch sehr bald, besieht sich den Schaden, nimmt das defekte Rad mit und bringt es uns repariert bald wieder zurück!
In der Zwischenzeit haben wir Muße, uns das Kirchlein und die Anlage des märchenhaft "wie auf einem Adlerhorst auf dem Berg liegenden" Klosters zu besichtigen. Der einzige Mönch, der dieses Kloster verwaltet und später noch hinauf auf den Berg gekommen ist, verabschiedet uns am Abend fröhlich, schließt seine Klostertür zu und verschwindet in dem winzigen, vorwiegend aus Holz gebauten Klostergebäude....


 

 

Batoševski-Manastir

Batoševski-Manastir
 


Zwischen Trojan und Gabrovo – in der Nähe des Städtchens Aprilci – erreichen wir über eine schmale Zufahrt nach etwa 4 km und ganz oben auf dem Berg das "Männerkloster" Batoševski-Manastir aus dem 13. Jahrhundert (nicht zu verwechseln mit dem Frauenkloste von Batoševski !). Das Kloster besteht aus der dreischiffigen, in der Mitte der Anlage gelegenen Kirche (19. Jh.), die umgeben ist von den typischen 2-stöckigen, weiß verputzten, sehr repräsentativen Gebäuden. Dann steht ein Glockenturm dicht dabei. An den Wänden des Exonarthex und teilweise an den Innenwänden der Klosterkirche finden sich wundervolle Fresken aus der 2. Hälfte des 19. Jh..


Batoševski-Manastir; Fresko: Lebensrad

Besonders drastisch gestaltet ist das Lebensrad, ebenso die Darstellung der Gerechten und der Sünder, Ungeheuer Heere von
Heiligen, Mönchen und Engel.

 

Batoševski-Manastir;
Fresko: Kampf der Engel und Teufel um die Seele

Batoševski-Manastir;
Fresko: 7köpfiges Ungeheuer
 


Im Inneren bewundern wir eine riesige Ikonostase (Mitte 19.Jh.) und erfahren dabei, dass ein großer Teil der Bilder in der Vergangenheit gestohlen worden war und nun zurückgeholt, ersetzt oder erneuert werden muss. Immer noch zeigt die Bilderwand große Defekte durch diesen Diebstahl. Besonders interessant und einmalig die Ikone "3-händige Maria".


Batoševski-Manastir; Ikone: dreihändige Maria

Sie zeigt Maria und das Jesuskind und eine dritte versilberte Hand, die von rechts ins Bild kommt. Nach der Sage wollte ein Mönch ursprünglich diese Ikone weitertragen, nachdem er im Kloster genächtigt hatte. Allerdings wurde die Ikone entgegen seinem Auftrag immer wieder zurück ins Kloster transportiert, so dass er nach dreimaligen vergeblichen Versuchen, sie mit sich zu nehmen, beschloss, sie dann eben doch dort im Kloster zurück zu lassen. Seither wird diese Ikone sehr verehrt.


Durch das Städtchen Gabrovo geht es dann zum Drjanovski-Kloster. Dies ist offensichtlich ein touristisch überlaufenes, von 3 Mönchen bewohntes, von Bussen voller Besucher überschwemmtes und durch ein großes Hotel ergänztes Kloster.


Drjanovski-Kloster

Viele Souvenirläden und -verkäufer sowie Imbißbuden umgeben es. Die historische Bedeutung dieses Drjanovski-Klosters liegt wohl darin, dass im April 1876 von hier aus eine Handvoll Freischärler gegen eine türkische Übermacht gekämpft (und verloren) hat. Daher resultiert vor Ort eben diese merkwürdig anmutende Mischung aus großem Pathos, zur Schau gestellter Religiosität, kunstgeschichtlicher Bedeutung und nicht zuletzt bulgarischem Patriotismus.


Auch während einer "Klostertour" empfiehlt sich der Besuch eines Kastells: die Festung Červen.


Festung Červen; Modell

Sie ist so etwas wie eine kleinere Ausgabe des Zarevec in Veliko Tărnovo, steht auf einem Felsen, ist nur über eine Treppe mit 235 Stufen erreichbar und gestattet einen wundervollen Ausblick in das Tal des Flusses "Rusenski Lom". Beim Rundgang erkennt man die gewaltigen Reste der Türme und Mauern aus dem 13./14. Jahrhundert, die den Festungsteil umschließen.


Festung Červen; Mittelalterlicher Mauerzug innerhalb der Festung


Festung Červen; "Chip" auf mittelalterlichen Kirchenmauern

Wir sehen eine große Zahl von größeren und kleineren Kirchen, Türmen und dann eben den Palast mit Hof und den Resten eines Festsaales. Immer wieder bieten sich schöne Ausblicke über das Tal, das Dorf unten im Flusstal und zu einer klosterähnlichen Struktur auf dem gegenüberliegenden Berg.


Die weitere Fahrt bringt uns dann nach etwa 15 km zu dem Ivanovo – Felsenkloster - Komplex (Weltkulturerbe). Diese "Mönchsbehausung" mit Mutter-Gottes-Kapelle ist erst im letzten Jahrhundert entdeckt worden, stammt aber aus dem 14. Jahrhundert. Wir steigen hinauf in eine dieser kleinen Mönchskammern. Sie besteht aus drei kleinen Räumen, welche in etwa 30m Höhe in den Kalkstein-Felsen gehauen worden sind. Man tritt aus einer dieser Höhlen auf einen atemberaubend über dem Abgrund schwebenden etwa 3 qm großen "Balkon".


Ivanovo. Mönchsklause mit Mutter-Gottes-Kirche

Ein Führer, der völlig allein da oben sitzt und auf Besucher wartet, gibt uns lange und sehr detaillierte Auskunft. Wundervoll erhaltene Fresken an den Wänden zeugen vom Leben dieser Einsiedlermöche unter den damaligen höchst asketischen Lebensbedingungen.


 

Ivanovo. Mutter-Gottes-Kirche,
Fresko: "...und dreimal krähete der Hahn..."

Ivanovo. Mutter-Gottes-Kirche,

Fresko: "… ging hin und erhängete sich selbst.."
 

 


Ivanovo. Mönchsklause mit "Jahreskalender"
(12 Monatslöcher für je 30 Tageserbsen)

Sie sollen über einen Zeitraum von etwa 300 Jahren dort oben gelebt haben.


Der archäologisch Höhepunkt dieser Tage aber ist wohl bei Sveštari der Besuch des Thrakischen Fürstengrabs, Weltkulturerbe.
Eine perfekt deutsch sprechende Führerin führt uns sehr nett noch fast eine dreiviertel Stunde durch das Grab. Fotoaufnahmen sind verboten, man muss Überschuhe anziehen, eine dicke Stahlschiebetür öffnet sich nach einem Geheimcode und lässt uns in einen überwachten, temperierten Raum: man betritt die "Grabkammer".


Sveštari, Thrakisches Fürstengrab

Es sind drei Räume, etwa so groß wie ein kleines Wohnzimmer, aus behauenen Steinen, mit 10 weiblichen Figuren an den Wänden, die den Himmel zu tragen scheinen, ein Schrein, zarte Farbreste. Vor rund 2.500 Jahren pflegte man (als König, Zar, Adliger oder jedenfalls Herrscher) zu seiner Geburt mit seinem Grabbau zu beginnen. An diesem Grab nun ist erkennbar, dass man nicht mit allen Steinmetzarbeiten fertig geworden war. Die Knochen, die man fand, zeigen einen Mann von etwa 30 Jahren und dann (Lieblingsfrau ?) ein weibliches Skelett von etwa 20 Jahren. Außerdem sind in den Vorräumen Knochen von 3 Pferden, Hund und Schwein gefunden worden sowie Werkzeuge, Schmuck, Tongefäße etc.
Das Ganze ist höchst eindrucksvoll aufgebaut, prima präsentiert, gut beschriftet, bestens bewacht und beeindruckt uns sehr: Dies ist immerhin nichts weniger als der Welt einziges so gut erhaltenes und rundum zu besichtigendes Grab thrakischer Fürsten. Und man spürt natürlich auch, dass durch den Status ("Weltkulturerbe") etwas Geld in die Kassen geflossen und nicht ausnahmslos und komplett in finsteren Kanälen versickert ist.


Wir starten schließlich am folgenden Tag zu unserer ersten Besichtigung eines "ethnographischen Juwels", nämlich des Dorfes Žeravna am Balkanrand.

 

Žeravna

Žeravna
 


Es handelt sich um einen kleinen Ort mit ganz typischen Holzhäusern, die man bestaunen (oder auch kaufen und einmal bewohnen) kann, die wunderschön gepflegt sind und zu denen man (als Tourist etwa) vom Schwarzen Meer gefahren wird. Jetzt war – nach einer Fahrt in den Regenwolken über den Balkan – niemand zu Besuch im Dorf außer uns.
Vorteil: wir können problemlos fotografieren und uns in Ruhe alles ansehen.
Nachteil: die meisten Kaffees, Restaurants etc. sind geschlossen.
Eher zufällig finden wir die Nikolaus-Kirche mit wundervollen Ikonen, einer herrlich bemalten Kanzel, einem Bischofsstuhl und einer bewundernswürdigen Ikonostase. Es gibt ein Schwätzchen mit einem Rentner, der sein Haus bearbeitet, mit einer Teppichverkäuferin und mit einem Eselskutscher, der uns von dem ursprünglich geplanten weiteren Weg nach Preslav abrät, da er ausschließlich aus Löchern bestehe.

 

Žeravna; kleine Plauderei

Žeravna
 

 


Nach einer ziemlich langen, nervenden, feuchten, holperigen Fahrt auf der Staatsstrasse 7 – unterbrochen durch ein schönes Mittagsessen – kommen wir nach Preslav Ziel hier ist "die Ausgrabung" und der Besuch des sehr schönen und empfehlenswerten Museums.

 

Preslav; rekonstruiertes Stadttor

Preslav;
Vase im Museum

 

Man zeigt uns die Schatzkammer, gibt eine kurze Museumsführung, präsentiert uns einen Film und entlässt uns auf das Ausgrabungsgelände, das allenfalls nur "befriedigend gut" erhalten ist. Dafür, dass dies ein für die gesamte bulgarische Nation wichtiges Denkmal ist, nämlich die "zweite Hauptstadt" Bulgariens im 8. und 9. Jahrhundert, wundert uns, wie wenig besucht es ist ... .


Das nächste kurze historische Intermezzo gilt dem Besuch des sog. "Thrakischen Reiters", Weltkulturerbe. Dies ist ein überlebensgroßes Reiterbildnis, herausgehauen aus einer Felswand in etwa 23 m Höhe und auch heute noch sehr schön erkennbar.


Reiter von Madara

Es entstand wohl im 7./8. Jahrhundert. Man erkennt einen Reiter, sein Pferd, den Jagdhund und einen Löwen, erlegt zu seinen Füßen. Wir denken, dass dieses Ensemble so etwa 4 x 6 m misst. Dabei ist dieser "Reiter von Madara", wie er auch genannt wird, wohl ein versinnbildlichter Herrscher des 1. Bulgarischen Reiches, vielleicht Khan Tervel (der 701 – 718 regierte) oder auch sein Vater Khan Krum. Dicht dabei sollte man sich noch Höhlen bzw. Grotten anschauen unterschiedlicher Größe und Funktion (eine war als Kapelle ausgezeichnet und beherbergte Ikonen und Spenden Gläubiger).


Als letzte Aufgabe des Tages wollen wir die Ausgrabung und die große Basilika aus jener Zeit (7. bis 9. Jahrhundert) in Pliska kennenlernen, nur wenige Kilometer von den Felswänden des thrakischen Reiters entfernt. Diese Anlage von Pliska gilt als die "erste Hauptstadt des Bulgarenreiches".

 

Pliska; Bischofskirche am Rande der Stadt

Pliska;
Kirche in der Stadt
 


Endlich hat das Wetter ein Einsehen. Die Sonne kommt heraus und wir können (wieder völlig alleine) einen Spaziergang über oder durch die von den Archäologen wieder recht gut präparierte Stadt mit Palästen, Kirchen, Bädern und Wohnhäusern sowie zwei heidnischen Tempeln machen. Am Ende besichtigen wir die z.T. wieder (als Ruine) aufgebaute Bischofskirche aus der Zeit des Zaren Boris I. (852-889).
Das alte Stadtareal (von einer gewaltigen Mauer umgeben) misst etwa die Fläche eines kleinen deutschen Dorfes, war aber ursprünglich von Tausenden Menschen besiedelt. Am Ende des Rundganges beschließen wir, im Schatten jener Kathedrale völlig allein und nur von Nachtigallen besungen stehen zu bleiben, genießen ein schönes Abendessen, trinken einen Rakija, essen Erdbeeren mit Joghurt und freuen uns, dass diesmal nicht der Regen auf das Autodach trommelt.


Vor uns liegen nun einige Tage am Schwarzen Meer. Wir erreichen gegen Mittag Varna, die drittgrößte Stadt des Landes (mit wenig Verkehr am Sonntag); rasch haben wir die Ausfahrt Richtung Balčik bzw. Durankulak, dem Grenzort nach Rumänien, gefunden.
Schließlich kommen wir in Balčik an und begeben uns auf die Suche nach dem Sommerschloss der letzten rumänischen Königin Marie von Edinburgh, die durch ihren Vater Enkelin des russischen Zaren Alexander II., durch ihre Mutter Enkelin von Queen Victoria war.

 

Balcik; Schlösschen

Balčik;
Botanischer Garten
 


Das kleine Schlösschen im botanischen Garten war ganz possierlich, wenn auch die Blumenpracht erst in ihren Anfängen zu erkennen war. Das "Schwalbennest-Schlösschen" wirkte auf uns etwas skurril, besonders deshalb, weil christliche Elemente, der maurische Baustil, ein Moschee-ähnlicher Turm und weitere Skurrilitäten zu einem bunten Mix zusammengefügt schienen... .


Unser nächstes Ziel: Kap Kaliakra. Es ist eine Enttäuschung, weil überschwemmt von Touristen, weil zudem das ganze Kap (eingezäunt und als militärisches Sperrgebiet) nicht zu betreten und gesperrt ist und weil man weit davor parken muss. Dennoch verbuchen wir auf der Positivliste: es gibt einige Ausgrabungen zu besichtigen (wie Kirchen, alte Wohnanlagen und in Resten ein Kastell). Aber am Ende wieder eine Unmenge von Souvenirläden... .

 

Kap Kaliakra

Kap Kaliakra
 

Schließlich aber finden wir eine traumhaft schöne Bucht dicht am Meer bei Šabla. Bei unserer Ankunft angeln dort noch einige Bulgaren, fahren aber recht bald weg, so dass wir am Abend völlig allein sind.


Bucht bei Šabla

Von niemandem einsehbar oder erkennbar sitzen wir noch lange in der Abendsonne und lauschen auf das Rauschen des Meeres. Übrigens haben wir während unserer gesamten Tour ausschließlich "frei" und an Stellen, die wir uns selbst ausgesucht haben, übernachtet und gestanden – ohne je gestört, belästigt oder gar vertrieben worden zu sein.


Ein weiterer touristischer Höhepunkt und viel weiter südlich an der Schwarzmeerküste Bulgariens gelegen ist Nessebăr. Wir parken am Rande der auf einer künstlichen Halbinsel gelegenen Altstadt, deren Befahren untersagt ist (das gesamte Ensemble ist Unesco-Kulturerbe). Wir passieren das aus der griechisch-römischen Antike stammende, gut rekonstruierte Tor.

 

Nessebăr; Museum: Ikone

Nessebăr; Museum: Ikone
 


Zuerst statten wir dem kleinen Museum einen Besuch ab. Es bezaubert uns durch seine exzellente Präsentation sowie die herrliche Ikonenausstellung; nicht zuletzt bietet es ausserdem eine gute Einführung in den Besuch der Halbinsel. Hauptattraktion für den kulturhistorisch interessierten Besucher sind neben der neuzeitlichen Architektur der vorwiegend aus Holz errichteten Privathäuser die über 40 mittelalterlichen Kirchen, von denen einige zugänglich sind, andere schon durch ihre äußere Gestaltung Bewunderung hervorrufen.

Ein Flyer aus dem Museum erleichtert uns die Orientierung bei dem nun folgenden Kirchen-Bummel. Wir beginnen bei der besonders eindrucksvollen Stephanskirche und ihren wundervollen Fresken.


Nessebăr; Stephanskirche

Gebaut vom 11. bis 13. Jh. wurde die dreischiffige Basilika im Zusammenhang mit ihrer Erhebung zur zweiten Bischofskirche mit den noch erhaltenen Fresken (Inschrift von 1599) ausgemalt, die in ihrer Schönheit denen vom Kremikovci-Kloster nicht nachstehen.


Nessebăr; Stephanskirche: Fresko

 

Nessebăr; Stephanskirche: Fresko

Nessebăr; Stephanskirche: Kanzel
 


An den Aussenfassaden gewahren wir die bereits für die mittelalterliche bulgarische Sakralarchitektur typischen Elemente wie etwa den lombardischen Arkadenfries und die plastisch-keramischen Verzierungen.

Ein paar Schritte nur sind es zur Johanneskirche. Deren Beinamen Aleiturgetos ("die Ungeweihte") findet seine Erklärung in der Legende, dass die Kirche kurz vor der Weihe 1366 durch die Soldateska des Grafen Amadeus VI. Von Savoyen (1334 - 1383) in Brand gesetzt wurde.


Nessebăr; Johannes Aleiturgetos


Nessebăr; Johannes Aleiturgetos Detail

Die weiterentwickelte Kreuzkuppelkirche ist eines der bedeutendsten mittelalterlichen Baudenkmäler Bulgariens und besticht durch ihre reiche Außenverzierung (doppelte lombardische Arkaden mit plastisch verzierten Schlusssteinen, keramische Inkrustationen).

An der nächsten Kirche Christus Pantokrator, einer Kreuzkuppelkirche aus dem 14. Jh., können wir die reiche Außenverzierung besonders gut studieren.


Nessebăr; Christos Pantokrator

Im Inneren befindet sich derzeit eine repräsentative Ausstellung alter Landkarten. Schließlich besuchen wir noch die Kirche Sveti Spass, eine kleine einschiffige Kirche, die Anfang des 17. Jh. (Inschrift 1609) gebaut wurde und uns wieder mit ihren vorzüglichen Wandmalereien bezaubert.


Nessebăr; Sveti Spass

Die einschiffige Erzengelkirche, sv. Archangeli, aus der Mitte des 13. Jh. besticht durch ihre reichen keramischen Verzierungen an den Fassaden mit ihren preudokonstruktiven Blendnischen.


Nessebăr; Erzengelkirche

In unmittelbarer Nähe steht die kleine einschiffige Kirche Sveta Petka oder Sveta Paraskeva mit ähnlichem Fassadenaufbau und Verzierungen wie die Erzengelkirche.

 

Nessebăr; Sveta Petka

Nessebăr; Sveta Petka
 


Sveta Petka wurde wohl im Zusammenhang mit der Überführung der Reliquien der Heiligen nach Veliko Tărnovo 1236 errichtet. Vorbei an der Ruine der alten Metropolitenkirche aus dem 5./6. Jh. versuchen wir, die reichen Eindrücke bei einem doppelten Espresso und einem schmackhaften Palatschinken auf einer Terrasse mit Meeresblick zu rekapitulieren.


Nessebar; Alte Metropolitenkirche


 

Nun folgt eine lange Etappe durch Südostbulgarien:

Wir fahren von der südlichen Schwarzmeerküste auf nicht sehr guten Straßen zunächst nach Malko Tărnovo an der Grenze zur Türkei und dann zu dem kleinen Ort Brăšljan mit typischen kleinen Holzhäusern auf einem mit Lehmziegeln gebauten Erdgeschoss.


Brăšljan

Dort treffen wir einen 80-Jährigen, der ein paar Worte deutsch spricht, die er als Schüler in Burgas gelernt hatte. Besonders auffallend hier im Dorf (das ja nur aus ein paar Häusern besteht) ist eine winzige Kombination zwischen einer kleinen Kirche (etwa von der Größe eines Wohnzimmers, nur Erdgeschoß, schmucklos, Ziegeldach) und angebauter einzimmrig-einklassiger Schule.


Brăšljan; Komplex von Kirche (links) und Schule (rechts)

Das ganze Ensemble ist ebenso schmucklos wie grau und es ist in die Erdoberfläche eingetieft sowie schließlich noch unter riesigen Linden versteckt.


Eine wunderschöne Fahrt vorbei an einem Stausee bringt uns nach Ivailovgrad, nahe der türkischen Grenze.


Am Ivajlovgrad -Stausee

Von dort weist man uns den Weg die wenigen Kilometer zur Villa Armira. Zu unserer Freude ist die Verfasserin des gleichnamigen "Armira-Buches", Geri (nämlich Gergana Kabakčieva) anwesend.


Villa Armira

Wir werden begeistert begrüßte und erhalten noch einige ergänzende Informationen. Besitzer dieser Villa war ein thrakischer Aristokrat vom Ende des 1. bis ins 2. Jahrhundert (mit seinen beiden Kindern in einem Mosaik abgebildet). Diese umfangreiche und bisher größte Villa in Bulgarien besitzt schwarzweisse und farbige Mosaiken, ein offenes Schwimmbad, beheizte Räume, warme Bäder und mehrere repräsentative Säle.


Villa Armira; Mosaik (Detail)


Die anschließende Route von dort führt uns auf der Straße 509 über Krumovgrad nach Tatul.


Thrakisches Heiligtum Tatul

Wir erleben eine zauberhafte Panoramastraße mit Ausblicken auf die Rhodopen und einer interessanten Wegstrecke zu dem eindrucksvollen, erst im Jahre 2000 entdeckten thrakischen Heiligtum (2. Jahrtausend vor Christus) mit einem "Sarkophag", der über dem Abgrund zu schweben scheint und einem Orpheustempel aus römischer Zeit.


Thrakisches Heiligtum Tatul; Detail


Auf kleinen aber wunderschönen Straßen erreichen wir nördlich von Kărdžali Perperikon. "20 min" sei der Anstieg auf das Plateau, schreibt unser Führer.


Perperikon; Nekropole

Wir brauchen etwas mehr Zeit, um auf den Berg zu kommen. Es handelt sich um eine beeindruckende Festung bzw. Höhensiedlung! Siedlungsspuren vom 7. Jahrtausend vor (!) bis ins Mittelalter (14. Jahrhundert nach Chr.). Wir sehen eindrucksvolle Steinsarkophage in der kleinen und großen Nekropole, die Bischofskirche mit Kanzel auf der Akropolis; das "Prinzessinnen-Zimmer" mit grandiosem Blick über das Land, einen mittelalterlichen Turm und die ebenso tiefe wie große Zisterne.

 

Perperikon; Bischofskirche mit -stuhl und Kanzel

Perperikon; Zisterne
 


Auf bester Straße geht es dann um Stara Zagora in nördlicher Richtung zu einer ganz neu ausgebauten "Paß-Straße" über die südöstlichen, niederen Balkanausläufer, die E85 (bzw. 55), etwa parallel zum Šipka-Pass, der weitgehend vom Transitverkehr der Laster freigehalten wird.


Recht schmale Straßen führen uns dann schließlich zum Kilifarevski-Kloster. Die erstaunlich große und völlig überraschende Ansammlung von Autos vor dem Kloster klärt sich rasch auf: wir erleben eine orthodoxe Taufe mit, wobei wir ermuntert werden, näher zu treten und möglichst viele Bilder zu machen.

 

Kilifarevski-Kloster

Kilifarevski-Kloster; Detail
 


Der Täufling wird komplett unter Wasser getaucht und sein Brüllen wird fröhlich mit Gesängen übertönt.


Kilifarevski-Kloster; Taufe

Jemand aus der Gemeinde stellt sich hinter uns und erklärt uns (auf deutsch!) in komprimierter Form das Wesen der Orthodoxie, die Freude über diese Taufe und die Ehre, uns als Gäste dabei zu haben... . Es handelte sich bei diesem Kloster übrigens um eine in der Mitte des 14. Jahrhunderts gegründete, jetzt von Nonnen betriebene (Blumenschmuck!) beinahe "wehrhafte" Institution mit einer in der Mitte des 19. Jh. unter Einbeziehung älterer Bauteile errichteten Kirche in einem abgelegenen Flusstal mit offensichtlich aber recht intensivem Leben.


Das zweite Kloster in dieser Region, das Kapinovski-Manastir ist wieder nur über sehr schmale Wege zu erreichen. Hier schlurft eine Alte herum, die in erster Linie Geld für's Fotografieren will.

 

Kapinovski-Manastir; Nikolauskirche: Fresko

Kapinovski-Manastir
 


Wir werfen noch einen Blick in die "Nikolaus-Kirche" und fahren weiter Richtung Veliko Tărnovo. Dort lassen wir unser Gefährt auf einem bewachten Parkplatz unterhalb des Carevec-Hügels stehen und beginnen hier unseren mehrstündigen Rundgang:

Nach einem etwas mühsamen Aufstieg sind wir im weltlichen und geistlichen Zentrum des 2. Bulgarischen Reiches (1185 - 1396): wir sehen die Reste des Zaren- und Patriarchenpalastes sowie die rekonstruierte Kathedrale auf dem Carevec – Hügel.


Veliko Tărnovo; Festung Carevec

Von hier bietet sich auch ein guter Blick auf den zweiten im Mittelalter besiedelten Hügel Trapezica mit seinen ausgegrabenen, teilweise restaurierten Palästen und Kirchen.
Zurückgekehrt zum Eingang auf den Carevec gehen wir die Fahrstraße abwärts in das Tal der Jantra zwischen Carevec und Trapezica und sehen auf der linken Seite die Kirche Heilige 40 Märtyrer, eine 1230 errichtete Basilika. Nur kurze Zeit später wurde dann der gesamte Klosterkomplex Velikata Lavra, auch Zarenkloster genannt, hier um sie herum gebaut.

Im Jantra-Tal selbst sehen wir anschließend eine Reihe von mittelalterlichen Kirchen. Die meisten sind wiederaufgebaut, nachdem sie durch das Erdbeben von 1913 beträchtlich zerstört worden waren. Da ist der einschiffige Kuppelbau der 1185 errichteten Demetriuskirche (Sv. Dimităr). Oder die Kreuzkuppelkirche Peter und Paul aus dem 13./14, Jh. und die Georgskirche aus dem Anfang des 17. Jh. Alle Kirchen zeichnen sich durch mehr oder minder gut erhaltene Fresken aus verschiedenen Jahrhunderten aus.


Veliko Tărnovo; Ikone und ihr Meister

Wir kehren zum Eingang auf den Carevec zurück und besuchen von dort aus noch das "moderne Tărnovo".
Vom 4-Sterne-Hotel Jantra mit seinem bezaubernden Terrassenblick auf den Carevec spazieren wir oberhalb der Hauptstraße die parallele Rakovskistraße entlang mit einem Souvenir- und Handwerkerladen am anderen.


Veliko Tărnovo; Rakovski-Straße

Vorbei am berühmten Han Hadži Nikoli (1858-62 vom populären bulgarischen Architekten Koljo Fitcheto errichtet: Han = orientalische Herberge/Gasthaus) kommen wir schließlich ins Zentrum und laufen über die legendäre Ulica Gurko zurück bis zum ehemaligen türkischen Konak (türkisches Amtsgebäude, 1872 ebenfalls von Fitcheto errichtet; 1879 Sitz der ersten Nationalversammlung nach der Befreiung) und von dort zu unserem Auto. Dieser Rundgang ist ein wenig anstrengend. Aber er hat uns die jahrhundertelange bedeutende Tradition der Stadt eindrucksvoll und nahe vor Augen geführt... .


Eine der letzten Etappen soll uns noch in Richtung Gabrovo auf der Passstraße zum Šipka führen mit dem Abzweig nach Boženzi. Es handelt sich hier um ein "ethnographisches Museumsdorf", winzig klein, nur eine Handvoll Häuser und völlig abgelegen. Wir hatten das Dörfchen vor 13 Jahren besucht und es hatte uns damals tief und nachhaltig geprägt. Wir haben in einem der Restaurants sehr typisch und köstlich zu Abend gegessen und anschließend auf dem Besucherparkplatz übernachtet.


Die erste Heimreiseetappe bringt uns noch einmal zurück an den Stadtrand von Sofia: zur Bojana-Kirche. Diese sehr kleine Kirche entstand in drei Phasen: der älteste kleine Teil im 12./13. Jahrhundert. Diese Kirche war von der bulgarischen Zarin Eleonore von Reuß zu Köstritz (1860 -1917), der zweiten Frau von Zar Ferdinand gerettet worden. Ursprünglich sollte sie nämlich einer großen Kirche weichen. Die Zarin bekam schließlich hier auch ihre letzte Ruhestätte.


Mittelalterliche Kirche von Bojana


In der Kirche imponieren wundervolle Fresken (in drei Schichten übereinander), von denen unser Führer sagt – und wir können dies auch erstaunt bestätigen – dass die Gesichter überaus lebendig und individuell gestaltet sind, fast, als wären sie fotografiert. Ein alter Herr dirigiert die Besucher hinein (das Kirchlein fasst kaum mehr als 20 Menschen), ordnet alle mit strengen Worten, verbietet das Fotografieren und achtet permanent wie ein Luchs darauf, bestimmt schließlich, dass man nur maximal 10 Minuten in dem Kirchlein bleiben darf, warnt davor, dass man sich den Kopf an der niedrigen Tür nicht anstößt und stellt somit offensichtlich eine sehr wichtige Persönlichkeit dar.... Jedenfalls findet unsere Klostertour, die ja mit einem ähnlich kleinen Kirchlein vor 11 Tagen kurz hinter der nordwestlichen bulgarischen Grenzpassage begonnen hatte, mit der Kirche von Bojana einen sehr würdigen Abschluss.


 

 
 

Zum Ende noch eine erklärende Anmerkung:
Der aufmerksame Leser wird sicher wichtige Klöster vermissen, etwa das Batschkovo- oder Preobrashenski-Kloster, sicher auch das Trojanski-Monastir und natürlich das weltbekannte und größte Kloster des Landes, das Rila-Kloster. Wir hatten hierüber an anderer Stelle bereits berichtet (www.uhlich-online.de/reisen/bulgarien). Im übrigen stehen die Autoren jederzeit für Rückfragen oder weitere Auskünfte zur Verfügung (dr.klauswachtel@t-online.de oder prof.uhlich@t-online.de).

 
     
     
<< zurück
© Prof. Uhlich, 2014